Das ehemalige Rathaus

Im Kreuzungsbereich der "Nassauer Straße" und der Straße "Auf der Schanz", stand bis 1975 das Rathaus der Gemeinde Zorn. Das Rathaus wurde im Jahr 1895 erbaut. Hierfür wurde das gemeinschaftlich von den Gemeinden Algenroth, Obermeilingen und Zorn genutzte Spritzenhaus durch die Gemeinde Zorn erworben. Dem damaligen Gemeindevorstand gehörten Phil.K.W. Sopp, Heinrich Birkenstock, Phil. Blass sowie Bürgermeister Peter Debus an. Für den Neubau wurde das alte einstöckige Spritzenhaus zuerst abgelegt, dann wieder aufgebaut und um einen zweiten Stock ergänzt. In diesem zweiten Stock entstand ein Rathaussaal. Alle Baumaßnahmen wurden bis auf den Außenputz innerhalb eines Jahres erledigt. Das benötigte Holz wurden dem Zorner Wald entnommen. Für die Maurerarbeiten waren Wilhelm Michel und Heinrich Bruchhäuser verantwortlich. Die Schreinerarbeiten übernahmen Wilhelm Wengel, Bernhard Schröder, Wilhelm Schönberger, Anton Hepp, Peter Schröder und Theodor Schmidt. Die Namen der Zimmerleute sind leider nicht überliefert. Das Rathaus hatte eine Länge von 6,36 m und eine Breite von 6,00 m.



Am 10. Dezember 1895 wurde die erste Gemeindeversammlung im neuerbauten Rathaus abgehalten. Zu diesem Anlass wurde von Herrn Lehrer Emil Petry eine Tafel mit den Worten "SUUM CUIQUE" (Jedem das Seine) angefertigt und im Rathaussaal aufgehängt. In den folgenden 80 Jahren war das Rathaus das Zentrum des ländlichen und kulturellen Lebens in Zorn. Alle öffentlichen Versammlungen fanden im oder am Rathaus statt. Bis zu einem Sturm im Jahr 1914 zierte eine schöne alte Linde den Vorplatz des Rathauses, auf dem bis 1972 alljährlich ein großer Vieh- und Krammarkt abgehalten wurde.

Neben der Nutzung durch den Gemeindevorstand, fand der Männergesangverein endlich einen neuen Übungsraum im Rathaussaal. Auch die Frauenhilfe nutzte die Räumlichkeiten des Rathauses für ihre Zusammenkünfte. Zeitweise wurde nach der kleinen Landschulreform das Rathaus für den Schulbetrieb genutzt. Die Feuerwehr Zorn hatte über viele Jahre ihre Heimat im Rathaus. Das ursprüngliche Spritzenhaus wurde durch ein Leiterhaus ergänzt (welches beim Umsturz der alten Linde im Jahre 1914 zerstört wurde) und genügte so bis in die siebziger Jahre den Anforderungen für die Zorner Wehr. Nach dem Neubau eines Schlauchturms und Spritzenhauses wurde der freigewordene Platz für die Unterbringung der Viehwaage genutzt.

Bis zum 2. Weltkrieg wurde das Rathaus auch zum Zufluchtsort vieler Wanderburschen und Dippelbrüder. Ein kleiner Raum im Erdgeschoss des Rathauses, im Zorner Volksmund als "Herberge zur Heimat" oder "Dippelbrüderstübchen" genannt, wurde als Unterkunft und Lagerstätte in kalten Nächten von diesen Personen gerne genutzt. Nicht vergessen werden darf der Anbau eines "Bolles".

Zum Glück fiel dieser Teil des Rathauses, der erforderlich wurde, um kurzfristig Landstreicher und andere Übeltäter bis zu ihrer Überführung in eine höhere Gerichtsbarkeit zwangsweise einzuquartieren, recht klein aus.

Nach der Zusammenlegung von 19 umliegenden Ortschaften zur Gemeinde Heidenrod und dem Bau eines Dorfgemeinschaftshauses verlor das Rathaus leider im Geiste der damaligen Zeit immer mehr an Bedeutung. So wundert es nicht, dass das Rathaus im Rahmen einer Umlegung und Erneuerung der Rathausstraße (heute "Auf der Schanz") am 30. September 1975 dem Abriss zum Opfer fiel.

Heute bedauern viele Zorner Bürger, dass dieses Gebäude, in dem über lange Jahre die Geschichte unseres Ortes mitbestimmt wurde, nicht erhalten blieb. Zur Erinnerung befindet sich seit 1991 im großen Saal der Morsbachhalle eine Schwarz-Weiß-Zeichnung des alten Rathauses.